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Vom Mercedario bis auf die Isla Navarino

Iim Parque Nacional Tierra del FuegoEs gibt Orte und Landschaften auf dieser Welt die eine bestimmte Faszination ausüben und nachhaltig beeindrucken, so dass der Wunsch, diese wieder zu bereisen, zu einem dringlichen werden kann. Mir passierte dies mit den ungemein ariden chilenischen und argentinischen Anden, den Kontrasten und unglaublichen Weiten Patagoniens und dem dramatischen Feuerland.

Es bot sich mir die Gelegenheit, zwei Jahre nachdem ich das erste Mal diesen Kontinent betreten hatte, dies wiederum zu tun. Nun – auch jenes was ich vorhatte ähnelte meiner ersten Tour: Zuerst sollte es ein Andengipfel jenseits der 6000 Meter sein, dann eine Ecke Patagonien und dann die Isla Navarino, zwischen Feuerland und Kap Horn gelegen.

Auf den Mercedario (6770m)

Meine Reise begann mit etlichen Stunden Flug, dem unerwartet leicht zu bewerkstelligenden  Wechsel des Flughafens in Buenos Aires, schließlich in Mendoza. Dort traf ich auch meinen Gefährten für die nächsten Wochen. Von Mendoza ging es über Barreal mit dem Jeep über Schotterpisten bis zur Refugio Laguna Blanca, immerhin 3200m hoch, und von dort auf den Mercedario.

Unser erstes Camp war das Camp Guanako auf schon 3600m Höhe, wo wir zur Akklimatisierung zwei Nächte blieben und Akklimatisierungstouren machten. Unsere nächsten Camps waren dann auf 4100, 4900 und 5100m Höhe, von wo aus ich allein den Gipfelsturm am 6. Tag wagen sollte.

In sternenklarer, stockfinsterer Nacht, es war Neumond, ging ich kurz nach vier Uhr in eisiger Kälte los. Die ersten, gut 1000 Höhenmeter, war es zwar steil, der Weg aber gut, auch im Lichtkegel der Stirnlampe, auszumachen, und ich kam sehr gut voran. Aber mit zunehmender Höhe, unter gleißender Sonne und einem endlos erscheinenden Anstieg zwischen Grat und Gletscher vor mir verringerte sich mein Tempo zunehmend. Aber irgendwann hatte ich es geschafft und die übliche Mischung aus Endorphinausschüttung, der Verblüffung, dass es wirklich nicht weiter nach oben geht, Erschöpfung und einer diffusen Leere machte sich breit.

Ich hielt mich nur kurz wegen des Windes oben auf und begab mich dann wieder hinunter. Mir stand ein ziemlich langer Abstieg bevor. Erschöpft vom Rückweg durch nicht enden wollende Schotter- und Geröllfelder, kam ich noch bei Tageslicht wieder beim Zelt an, aß und legte mich schlafen.

Für den weiteren Weg zurück konnten wir uns Zeit lassen, da der vereinbarte Abholtermin noch ein paar Tage entfernt lag. Zur Sicherheit hatten wir zur Erhöhung der Gipfelchancen einen Zeitpuffer eingeplant. So trotteten wir entspannt Richtung Tal zurück, blieben wieder zwei Nächte im Camp Guanako und nutzten die Zeit zum Durchspülen der sehr, sehr staubigen Klamotten, und auch um uns selbst wieder in einigermaßen zivilisationstaugliche Form zu bringen. Das Wetter war die ganze Zeit unglaublich sonnig, einzig an einem Vormittag gab es etwas Hagel. Und der Wind wurde zeitweilig zum Sturm.

Die Abholung klappte, in Barreal suchten wir erstmal ein Restaurant auf – endlich Abwechslung im Speiseplan – und fuhren dann mit dem Bus nach San Juan. Dort nahmen wir uns ein Hotel, nicht ohne zuvor noch Bustickets für den übernächsten Abend von Mendoza Richtung Patagonien, „semi-cama con servicio“ direkt bis Rio Gallegos, zu erwerben.

So hatten wir noch Zeit in San Juan und Mendoza zum Durchstreifen dieser hübschen mittelgroßen Städte mit ihren Platanenalleen und einer Architektur, die eindeutig auf viele Sonnenstunden eingestellt ist. Angenehm und durchaus sinnvoll ist auch die Siesta von eins bis fünf Uhr. Die Hitze wurde durch die sehr trockene Luft erträglich, und auch der lokale Wein war dem Wohlbefinden zuträglich, ganz zu schweigen von dem exzellenten Eis.

Nach Patagonien

Und dann ging es los mit der Busfahrt – zwei Tage und Nächte über Rio Gallegos nach El Calafate am Lago Argentino durch vor allem reizarme, aber nicht charmelose Steppe. Eine Nacht blieben wir im sehr touristischen El Calafate bevor wir dann am nächsten Morgen, wieder mit dem Bus, aber nur ca. zwei Stunden, nach El Chalten fuhren. Dort blies ein unglaublich starker Wind, aber bei Sonnenschein. Die Wege zum Camp Poincenot waren sehr voll, und wir gingen noch weiter bis zur Piedra del Fraille.

Generell ist El Chalten weniger die nationale Trekkinghauptstadt, womit sie wirbt, als vielmehr jene der Tagesausflügler, da so ziemlich alle Ziele nur ein paar Gehstunden von El Chalten entfernt sind. Am nächsten Tag gingen wir weiter Richtung Paso Marconi, unserem Ziel, um einen Blick auf das patagonische Inlandseis zu werfen. Dieser blieb uns allerdings verwehrt, da zum einen ein reißender Bach mit sehr viel schnellem Wasser zu queren gewesen wäre, noch dazu zeigte sich das Wetter stürmisch, bedeckt und regnerisch.

Wir suchten nach einer passablen Stelle, diese blieb aber erfolglos. In der folgenden Nacht zelteten wir an scheinbar relativ geschützter Stelle, trotzdem führte der nicht nachlassende Sturm mit unglaublichen Böen zur deutlichen Verformung einiger Elemente des Zeltgestänges, wie wir am nächsten Morgen feststellen mussten. Und dies trotz zahlreicher zusätzlicher Abspannungen.

Da das Wetter anhielt, sahen wir von einem Versuch ab, die zuvor vertagte Bachquerung erneut zu versuchen, und begaben uns auf den Rückweg mit nicht zu unterschätzendem Rückenwind. Irgendwann waren wir auf der Straße, blieben noch eine Nacht auf einem durch eine Hängebrücke zu erreichendem idyllischem Zeltplatz und fuhren über El Chalten nach El Calafate. Dort vertrieben wir uns die Zeit bis nachts um 3 Uhr der Bus nach Rio Gallegos fuhr, und von dort – die letzte lange Busfahrt! – nach Ushuaia.

Beim Kreuzen der Magellanstrasse sahen wir schwarz-weiss gescheckte Meeressäuger, entweder waren es kleine Orcas oder (zu) große Commerson-Delfine. Auf jeden Fall war es sehr possierlich wie sie neben der Fähre umhersprangen.

Feuerland und auf die Isla de Navarino

Am nächsten Morgen, einem Samstag, suchten wir die Buden der Bootstourenanbieter am Hafen auf, und erfuhren, dass am Sonntag keine Boote nach Puerto Navarino auf der anderen Seite des Beaglekanals fahren würden, da die Behörden am Sonntag nicht arbeiteten. Und dass das Boot für Montag schon ausgebucht sei. Also reservierten wir Plätze für Dienstag und hatten so zum einen Zeit in Ushuaia herumzubummeln, wie auch einen sehr langen Tagesausflug in die Berge rund um Ushuaia zu machen.

Durch unwegsames, durch unglaublich viel Bruchholz verziertes Gelände, über Schotter und durch Bäche gingen wir durch spektakuläre Gebirgsformationen rund um den Cordon Martial und über den Paso de la Oveja, nur selten begegneten wir anderen Menschen.

Am Dienstag fuhren wir dann mit dem Schlauchboot mit Außenbordmotor und Verdeck nach Puerto Navarino, mussten dort im einzigen genutzten Gebäude die Zollerklärung für die chilenischen Behörden ausfüllen, ein Beamter inspizierte oberflächlich unser Gepäck nach frischem Obst und Gemüse, und anschließend fuhren wir die 60km Piste nach Puerto Williams in einem Kleinbus. Dort erfuhren wir, dass die von uns angedachte Rückfahrt nach Ushuaia am Samstag nicht stattfinden werde können, da das Boot dringend gewartet werden müsse.

Also reservierten wir für Montag, hofften für diesen Tag auf gutes Wetter, da ansonsten unser Flug am Dienstag ins Wasser gefallen wäre, und starteten mit dem Circuito de Dientes de Navarino bei heiterem Wetter. Zuvor trugen wir uns bei der schläfrigeren Gendarmerie für den Circuit in eine Excel-Tabelle ein.

Auf dem Dientes de Navarino-Circuit

Ein steiler, beinahe in direkter Linie verlaufender Weg führte auf den Cerro Bandera und von dort bot sich ein überwältigender Anblick der umliegenden Berge, wie auch des Beaglekanals. Die erste Nacht verbrachten wir an der Laguna del Salto und am nächsten Tag gingen wir bei geschlossener Wolkendecke über den Paso Australis und Paso de los Dientes über einige Altschneefelder, wo sich ein erster Blick gen Süden Richtung Kap Horn bot.

Weiter ging es vorbei an diversen Seen und mehreren Pässen bis zur Laguna Hermosa. Immer wieder öffnete sich der Blick auf großartige subantarktische Landschaften. Und der in letzter Zeit anhebende Hype um diesen Trek, den südlichsten der Welt, wurde plausibel. Da das Wetter okay war und es sich hier bekanntlich minütlich ändern kann, nutzten wir dies. So hatten wir, obwohl erst mittags gestartet, zwei angedachte Tagesetappen an einem Stück bewältigt.

Auch am nächsten Tag blieb es uns erhalten – bedeckt, aber weitestgehend niederschlagsfrei, und relativ gute Sicht. Endlos zog sich der Anstieg zum letzten Pass, und unerwartet plötzlich war er da. Auf der anderen Seite brach das Gelände brutal steil ab, mit Schnee und Eis verziert, und durch Schotterrinnen gleiteten wir ins Trogtal. Es leuchtete unmittelbar ein, warum man den Trek im Uhrzeigersinn gehen soll…

Am nächsten Morgen dann die Überraschung: es hatte in der Nacht ein wenig gehagelt, und eine kurze Pause des Hagelsturms nutzen wir zum schnellen Frühstück und Zeltabbau um bei wieder einsetzendem Hagel und Regen aufzubrechen und die letzten Kilometer ins Tal zu bewältigen. Diese hatten es aber in sich: der Schlamm war noch tiefer als schon gewohnt, unerwartete wassergefüllte Untiefen taten sich beim Queren von Wiesen auf, und Wurzeln und Steine waren fies rutschig.

Gen Mittag kamen wir an der verlassenen Fischerei am Beaglekanal an und nutzen den sich uns bietenden Unterstand für eine Pause. Und prompt klarte der Himmel auf. Auf dem Weg zurück nach Puerto Williams wurden wir dann noch von Bauarbeitern mitgenommen. So erfuhren wir, dass unter anderem ein Ausbau des Treks und die Errichtung von Hütten beabsichtigt ist, kurzum eine (massen)touristische Erschließung. Wir waren froh, den Trek noch so ‚roh‘ gegangen zu sein.

Zurück nach Norden – über Puerto Williams, Tierra del Fuego-Nationalpark, Ushuaia nach Buenos Aires

In Puerto Williams erfuhren wir bei einem Tourismusanbieter, dass am morgigen Samstag doch Boote nach Ushuaia fahren würden. (Wir brachten in Erfahrung, dass der Grund für die Verwirrungen ein Streit zwischen den Bootsgesellschaften war.) Dies ließ uns aufatmen und wir suchten uns ein Hostel.

Chaotisch begann der Morgen, als der Wirt uns beinahe weckte und uns mitteilte, dass das Boot schon um 9h statt um 11.45h fahren sollte. In aller Eile packten wir und liefen zum Treffpunkt vor dem Grenzschutzgebäude, wo wir einen Ausreisestempel bekamen und erfuhren, dass man uns erst um 11 Uhr im Hostel abholen würde. So entspannten wir uns und holten das versäumte Frühstück im Quartier nach.

Danach lief alles wie am Schnürchen, Busfahrt und Bootsfahrt, in Ushuaia frischten wir die Proviantvorräte etwas auf und fuhren dann in den Tierra-del-Fuego-Nationalpark, in den Lapataia-Sektor an der Grenze zu Chile. Dort blieben wir noch für zwei Nächte und kehrten ein letztes Mal auf den Zeltplatz des Club Andino Ushuaia zurück.

Am nächsten Tag verließen wir diesen ungemein netten Flecken am Ende der Welt mit dem Flugzeug. In Buenos Aires ließen wir den Urlaub dann im Metropolentrubel und bei  angenehmen Temperaturen ausklingen. Eine nette Einlage im ansonsten langen und langweiligen Rückflug war, als der Pilot die Ansage machte, dass in ein paar Minuten zur Rechten die Wasserfälle von Iguazu zu sehen wären. Und er flog eine kleine Kurve, so dass auch aus der Mittelreihe und trotz der großen Höhe die Fälle sichtbar wurden.


3 Responses to Vom Mercedario bis auf die Isla Navarino

  1. Lou says:

    Danke Philipp für dein schönen, informativen Bericht. Da gehe ich in Dezember hin und freue mich riesig darüber.
    Weiterin gutes Reisen für Dich, egal wohin!
    Grüße
    Lou

  2. Peter says:

    Hallo Philipp, schöner Bericht, vielen Dank! War im Januar 14 auf Navarino und will jetzt im Jan. dort den Trail zusammen mit einem Freund wagen. Bin schon 61 also für mich ein richtiges Abenteuer. Wie sieht es dort eigentlich mit dem Wasser aus? So trinkbar oder ist Entkeimung notwendig?
    Gruß Peter

    • philipp says:

      hallo,

      schwer zu sagen. wahrscheinlich so trinkbar, aber sicherheitshalber entkeimungsmittel mitnehmen wäre mein tip.
      gruss.
      philipp

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