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Mit dem Rucksackboot durch Patagonien

Im Rucksackboot vor dem Eisberg. Alle Bilder: Jan MuellerMit einem Rucksackboot Patagonien erkunden klingt erst einmal irgendwie komisch. Ist es aber gar nicht. Reiseautor Jan Müller hat genau das getan. Mit einem sogenannten Packcraft hat er die zahlreichen Fjorde, Seen und Flüsse dieses Teils von Südamerika erkundet.

Während die meisten Leute erstmal irgendeine Insel dahinter vermuten, ist Patagonien doch jedem Bergsteiger ein Begriff. Grund dafür sind einzigartige Felsformationen, die gerade aufgrund der extremen Wetterverhältnisse sehr anspruchsvoll zu klettern sind. Da sich dieser Teil Südamerikas jedoch über mehr als 1500 km erstreckt, bietet Patagonien unterschiedlichste klimatische Verhältnisse und Landschaftsbilder. Prägend sind dabei vor allem auch zahlreiche Fjorde, Seen und Flüsse.

Aus diesem Grund entschieden wir uns bei dieser Reise erstmals nicht für eine Bergausrüstung, sondern für Packrafts, kleine aber widerstandsfähige aufblasbare Boote. Diese boten uns eine neue bisher unbekannte Perspektive, die Entdeckung der Landschaft vom Wasser aus. Einen Eindruck dieser neuen Perspektive soll der folgende Bericht geben.

Endlich: Wasser in Sicht

„Die Vorfreude ist uns beiden anzumerken, so zügig wie wir dem kleinen Pfad in Richtung eines großen Gletschersees am Campo Hielo Norte folgen. 30 km kann man auf der Karte abschätzen. Der Pfad führt durch stetig wechselndes Gelände, auf Wald folgen Dünen, schließlich Buschwerk und wie aus dem nichts ein Bruch zu einer vertrockneten Graslandschaft mit großen Felsen. Alles offensichtliche Folgen der ehemals gigantischen Ausmaße des Gletschers am Ende des Tals. Am Abend scheint das Ziel zum Greifen nahe, hinter einer vom Gletscher aufgeschobenen Geröllwand vermuten wir den See.

Da knappe fünf Wochen natürlich nicht reichen können, um ganz Patagonien zu bereisen, suchten wir uns nur einen Teil aus. Wir starteten in El Calafate, bekannt durch den in der Nähe gelegenen Perito Moreno Gletscher, nahmen jedoch gleich vom Flughafen einen Bus nach El Chalten, einem nördlicher gelegenen Ort am Beginn des Los Glaciares Nacional Parque.

Auf wirklich schön gewählten Trekking Pfaden kann man hier Cerro Torre und Fitz Roy nahe kommen, zwei bekannte Obelisk-artig aufragende Gebirgsformationen, die vor allem Bergsteiger und Kletterer anziehen. Vier Tage verbrachten wir im Nationalpark, bevor wir weiter in Richtung Norden zogen. Der nach zwei Tagesmärschen hinter dem Nationalpark gelegene Lago O’Higgins markiert die Grenze zwischen Argentinien und Chile.

Überqueren kann man ihn auf bei gutem Wetter verkehrenden Fischer- bzw. Touristenbooten. Auf der anderen Seeseite schließlich in O’Higgins angekommen, hatten wir großes Glück, noch zwei Plätze in einem Bus nach Cochrane zu ergattern, da zwei Einheimische nicht auftauchten.

Der Klang von abbrechenden Eisbrocken

„Endlich stehen wir auf dem Grat und erfassen den riesigen ca. zehn km langen Gletschersee, aus dem ein reißender Fluss entspringt. Ganz am Ende der riesige Gletscher mit einer beeindruckenden Abbruchkante. Man hört aus der Ferne das Donnern herunterbrechender und sich verschiebender Eisbrocken. Wir schlagen erstmal unsere Zelte auf und genießen die unglaubliche Szenerie. Tatsächlich bricht noch am Abend ein riesiger Brocken ab und verbleibt als Eisberg im See.“

Blick auf den Gletschersee, endlich kann es los gehen!

Blick auf den Gletschersee, endlich kann es los gehen!

So weit im Süden sind die Straßen (genauer die Carretera Austral, die hier beginnt) noch sehr schlechte Feldwege, sodass Hitch-Hiken auch mal länger dauern kann. So nahmen wir auch von Cochrane aus erstmal noch einen Bus in Richtung eines Tales, das an den Campo Hielo Norte angrenzt, die nördlichere der beiden innerhalb Chiles gelegenen Eiskappen.

Es gelang uns, mit unseren kleinen Packrafts in einem entlegenen Gletschersee einen Eisberg zu entern, ein tolles Erlebnis. Alle weiteren Strecken auf der zumindest etwas besser werdenden und teilweise sogar geteerten Carretera Austral legten wir per Anhalter zurück. Dabei gelangten wir zunächst zu den Marmorhöhlen am Lago General Carrera, die wir früh morgens ohne all die Touristen in unseren Booten erkunden konnten. Einfach nur wundervoll!

Im wilden Westen?

Weiter ging es nach Coyhaique, einer ersten größeren Stadt, und in den wiederum nördlich davon an der Carretera Austral gelegenen Queulat Nationalpark. Am Lago Yelcho konnten wir mit den Booten in den gleichnamigen Fluss einsteigen und gelangten nach Chaiten.

Diese Stadt ist noch sichtlich von einem Vulkanausbruch vor einigen Jahren mitgenommen, eher trist und erinnert ein wenig an eine Western Stadt. Hier bestiegen wir den nahen Vulkan Chaiten, der eine beeindruckende Kulisse aus völlig zerfetztem Wald und Geröll bietet und dessen Krater immer noch Rauchschwaden entsendet.

Um nach Puerto Montt zu kommen, einer Großstadt im Norden Patagoniens, nutzten wir von Chaiten aus eine Fährverbindung. Schließlich konnten wir nach einer kurzen Nacht gleich zu einem weiteren Nationalpark starten, dem Vicente Perez Rosalez Nacional Parque. Hier treffen große schneebedeckte Vulkane auf tiefblaue Seenlandschaften und Regenwald. Und dieser zeigte in den nächsten Tagen eindrucksvoll seine Namensherkunft.

In kurzen Regenpausen konnten wir trotzdem noch einen Hike zusammen machen, bevor Johannes zurück nach Deutschland aufbrach. Es kann ja nicht jeder so lange Semesterferien haben wie ich…

Eisberg voraus

Als die aufgehende Sonne den Himmel rot färbt, packen wir nur das Nötigste zusammen und beginnen in unseren kleinen Schlauchbooten Richtung Gletscherbruch zu paddeln. Nur sehr langsam nähert sich das Ziel. Die Dimensionen des Sees wirken von Minute zu Minute immer größer, Erschöpfung macht sich bemerkbar. Doch nach mehr als drei Stunden Paddeln erscheint der Eisberg plötzlich zum Greifen nah!“

Patagonien berühmter Firtz roy. Hier bei Sonnenaufgang.

Patagonien berühmter Firtz roy. Hier bei Sonnenaufgang.

Planänderung

In der Folge stellte sich mein Plan, durch den Regenwald die etwa 30 km entfernte Grenze nach Argentinien zu überschreiten, leider als unmöglich heraus. Der zunächst gut erkennbare Pfad war nach einigen Kilometern komplett zugewuchert und nicht mehr auffindbar, sodass ich mich durch die Mischung aus Bambus, Farn und Schlingpflanzen kriechend zurückorientieren musste.

Es blieb eine weitere Möglichkeit, die Überquerung des mehr als 30 km langen Todos los Santos Sees im Herzen des Nationalparks. Touristen können hier bei einer Mischung aus Boots- und Busfahrten viel Geld lassen und die Strecke in die in Argentinien gelegene nächstgrößere Stadt Bariloche in einem Tag schaffen.

Für mich blieb mein wunderbares 1,75 Meter langes Packraft, das in einem zwei Tagesmarathon bei teilweise hohem Wellengang doch sehr arg an seine Grenzen kam. Nach einem gewaltigen Kampf gegen die Naturgewalten war es dann tatsächlich geschafft!

 Der Blick vom Eisberg

„Wie besessen schlage ich mein Paddel in das tiefblaue Wasser. So ist nach einer weiteren halben Stunde der riesige Eisberg erreicht. An einer Seite hat sich eine große Lagune gebildet, in der Felsbrocken von der Größe eines Kleinwagens eingeschlossen sind. Es gelingt mir auszusteigen und auf dem in verschiedensten Blau- und Weißtönen leuchtenden Berg zu laufen. Unglaublich! Eine ganze Weile halten wir uns an dem Eisberg auf, bis wir uns von der Strömung und aufkommendem Wind wieder ans Ufer tragen lassen.

Der 30 km lange See ist endlich überwunden.

Der 30 km lange See ist endlich überwunden.

Auf der argentinischen Seite schließt sich direkt ein weiterer Nationalpark an, der sogenannte Nahuel Huapi. Dieser setzt sich aus einem recht alpinen Part zusammen, der wundervolle Bergtouren bietet, und einem von riesigen Seen geprägten Teil, ebenfalls wunderschön. Hier verbrachte ich die letzten Tage der Reise, bevor ich mit einem 24h-Bus nach Buenos Aires und von dort wieder nach Deutschland gelangte.


One Response to Mit dem Rucksackboot durch Patagonien

  1. Micha Micha says:

    Klingt toll! Muss sofort Urlaub nehmen und los.

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