PFAS in Regenjacken – Fluch und Segen

von , 31. August 2023

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PFAS bzw. PFCS waren wohl noch nie medial so präsent, wie jetzt. Während sich die Politiker*innen zu einem PFAs-Verbot beraten, wollen wir uns diese Stoffgruppe einmal genauer anschauen.

Was sind PFAS?

PFAS steht für Per- bzw. Polyfluoralkylsubtrate und bezeichnet die gleiche Stoffgruppe wie auch PFCS bei denen das C für Carbonyl also dem Element Kohlenstoff steht. Es handelt sich demnach um nicht nur eine Chemikalie, sondern eine ganze Stoffgruppe mit mehreren tausend Vertretern. Poly- bzw. Perfluoriert bedeutet, dass die Wasserstoffe, die in „normalen“ organischen Molekülen an die Kohlenstoffe gebunden sind, nun durch Fluoride ersetzt wurden. Demnach gehört ein Stoff zu den PFAS, wenn ein Kohlenstoff des Kohlenstoffgerüsts vollständig durch Fluoridatome substituiert wurde.[1] Um das besser zu erstehen, hier ein kleines Beispiel: Aceton, der klassische Nagellackentferner, kann auch als perfluorierte Variante synthetisiert werden, dem Hexafluoraceton. Hier werden die Wasserstoffe durch Fluor ausgetauscht. (Abb. 1)

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Ein anderes Beispiel für ein PFAS ist das Polyfluorethylen (PTFE) (Abb. 2) welches in Membranen wie Gore-Tex aber auch Beschichtungen wie Teflon zum Einsatz kommt.[2]

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Die Kohlenstoff-Fluor-Bindung hat in der Chemie einen besonderen Stellenwert. Die Bindung zwischen ihnen ist nämlich so stark, man könnte sie als vorzeige Ehe der chemischen Bindungen bezeichnen. Demnach interessieren sie sich nicht für andere Moleküle und gehen auch keine Reaktionen mit ihnen ein. Somit kann man in einer Teflon Pfanne ohne ein Anbrennen fettfrei braten und auch die Regenjacke ist flüssigem Wasser gegenüber dicht, aber ebenso atmungsaktiv und ölabweisend. Das konnte bisher noch keine „Fluorfreie“ Membran in diesem Maße bewerkstelligen.

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PFAS finden zudem nicht nur Verwendung in Pfannen oder Jacken, sondern sind fast überall vorzufinden und in vielen Bereichen auch schwer wieder wegzudenken. Beispielsweise werden viele Medikamente mit sogenannten perfluorierten  Trifluormethylgruppen (-CF3 Gruppen) synthetisiert. Das PFAS-Derivat hat im Vergleich zum nicht fluorierten Medikament eine erhöhte Lipophilität, wodurch es besser vom Körper aufgenommen werden kann. Dadurch wird weniger Wirkstoff benötigt, um die gleiche Wirkung zu erzielen. In diesen Konzentrationen werden sie dann, stabil und unreaktiv, wie sie sind, einfach wieder ausgeschieden.[1]

 

Schön und gut, aber warum die Diskussionen um ein PFAS-Verbot?

Nur wird uns diese chemische und thermische Stabilität zum Verhängnis, wenn PFAS in die Umwelt gelangen. Weder Bakterien noch Wasser, Licht, Hitze oder Luft können PFAS etwas anhaben. Dort reichern sie sich über den weltweiten Wasserkreislauf entlang der Nahrungskette nachweislich an und manche stehen bei größeren Expositionen in Verdacht, Krebserregend zu sein. Im menschlichen Körper können manche PFAS an Proteine im Blut, Niere und Leber binden. Manche können sich im Körper anreichern, da sie sehr spät ausgeschieden werden. Erhöhte Konzentration im Blut können Wirkungen von Impfungen mindern, zu erhöhten Cholesterinwerten führen und die Neigung zu Infekten erhöhen. Hier spricht man allerdings von Konzentrationen, die man als normale*r Verbraucher*in in der Regel nicht erreicht.[3] Nichtsdestotrotz reichern sie sich weiter an und der/die umweltbewusste Bergfreund*in würde wohl lieber auf PFAS in der Jacke verzichten.

Hierfür gibt es Alternativen: Zum Beispiel setzten mittlerweile alle unsere geführten Regenjacken Hersteller auf Polyurethane (PU), wenn keine Gore-Tex Membran verbaut ist. Dementsprechend kommt die Dermizax Membran aus dem Hause Bergans, H2No von Patagonia, Pertex von Rab und noch viele mehr ohne schädliche PFAS aus. Die in den Jacken verbauten PUs sind immerhin mehr oder weniger gut ökologisch abbaubar.

Aber PU ist ebenso ein Stoff, der aus gefährlichen und toxischen Chemikalien hergestellt wird, wie zum Beispiel Phosgen oder elementarem Chlorgas. Ich tue mich deshalb schwer, PU als ökologisch unbedenklich oder gar umweltfreundliche Alternative zu beschreiben. Ebenso entstehen die größten Expositionen von PFAS nicht beim Tragen oder der Verwendung der Produkte, sondern während der Herstellung. Meist benötigt man eben zur Synthese von derart chemisch und thermisch stabilen Produkten harsche, sehr reaktive Chemikalien. Und das sowohl bei PU, als auch bei den PFAS.[3,4]

 

Aber was soll ich denn nun kaufen?

Nun, zunächst sollte man sich fragen, wofür man die Regenjacke denn eigentlich verwenden möchte: gelegentlich für den kurzen Weg von der UBahn nachhause; bei der Alpenüberquerung mit schwerem Rucksack; oder doch für die nächste Hochtour auf dem Gletscher? Bei ersterem, gelegentlichem Einsatz, ohne bei Nässe Erfrierungen Gefahr zu laufen, tut es oft auch ein gewachstes Baumwollmischgewebe (1/3 Baumwolle; 2/3 Polyester). Diese gelten zwar nicht als regendicht, aber ein normaler Mensch wird im Alltag kaum einen Unterschied merken. Wenn man viel mit Rucksack in zum Beispiel den Bergen oder auf dem Rad unterwegs ist, würde ich eine Jacke mit einer PU-Membran wählen. Diese haben zwar eine etwas verringerte Atmungsaktivität und Wassersäule, werden aber durch die Unterarmbelüftungen „erträglicher“. Eine perfluorierte Membran würde ich nur empfehlen, wenn man sie wirklich braucht: Beispielsweise, wenn man im Hochgebirge unterwegs ist und die Creme de la Creme gar nicht gut genug sein kann.

Das Wichtigste ist aber seinen eigenen Konsum zu hinterfragen. Meiner Meinung nach sollte man lieber einmal mehr in eine Regenjacke investieren, sie richtig pflegen und so lange benutzen, wie sie „tragbar“ ist. Man sollte es so vermeiden können, sich jedes Jahr eine neue Regenjacke kaufen zu müssen, bei der die Hersteller vielleicht nicht so sehr auf eine umweltfreundliche Produktion achten. Normalerweise hat gebrauchte Kleidung einen kleineren Impact aufs Klima. Bei dem Kauf von gebrauchten Regenjacken, sollte man allerdings Vorsicht walten lassen, da man den Zustand der Membran zumeist nicht einsehen kann. Mit einer beschädigten Membran wird man nicht nur nass, sondern die Membran kann auch anfangen zu bröckeln und wird damit direkt in die Umwelt befördert.

Gore-Tex selbst unterteilt die riesige PFAS-Stoffgruppe in umweltschädlich und umweltunbedenklich, da das in Gore-Tex verwendete PTFE thermisch und chemisch so stabil ist, gelte es als Umwelt unbedenklich beim Endverbraucher. Ebenso solle die Herstellung so angepasst werden, dass keine ökologisch bedenklichen PFAS zur Synthese der PTFE Membranen Verwendung finden.[6] Sollte das PFAS-Verbot EU-weit beschlossen werden, wird Gore-Tex wahrscheinlich eine PFAS-freie Membran auf den Markt bringen.

Mir war es sehr wichtig aufzuzeigen, dass es die „chemiefreie“ komplett ökologisch unbedenkliche, wasserdichte, winddichte, atmungsaktive und ölabweisende Regenjacke leider einfach (noch) nicht gibt. Deswegen sollten Regenjacken bzw. Membrankleidung immer mit Bedacht gekauft werden. Man kann aber je nach Nutzen der Jacke auf andere beispielsweise gewachste Alternativen ausweichen. Da wir auch in der Lage sein möchten, Kund*innen für ihre Expedition auf den Everest auszustatten, werden wir auch weiterhin Jacken mit Gore-Tex bzw. PFAS führen.

 

Literaturverzeichnis:

[1] https://www.bmuv.de/faqs/per-und-polyfluorierte-chemikalien-pfas, 2023, zuletzt
besucht am 29.08.2023.

[2] Eintrag zu Polytetrafluorethylen in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA:
https://gestis.dguv.de/data?name=531331, 2023, zuletzt besucht am 29.08.2023.

[3] Merchant Research & Consulting, “North America Ranks First in Worldwide Ethylene
Dichloride (EDC) Market” https://mcgroup.co.uk/news/20141121/north-america-ranks-
+worldwide- ethylene-dichloride-edc-market.html, 2023, zuletzt besucht am
29.08.2023.

[4] L. Cotarca, C. Lange, K. Meurer, J. Pauluhn, Phosgene in Ullmann’s Encyclopedia of
industrial Chemistry, Wiley-VCH, Weinheim, 2019.

[5] https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/2546/publikationen/
uba_sp_pfas_web_0.pdf, 2023, zuletzt besucht am 29.08.2023.

[6] https://www.gore-tex.com/de/nachhaltigkeit/die-umwelt-schuetzen/chemischenfussabdruck-
reduzieren, 2023, zuletzt besucht am 29.08.2023.

Hier zu unserem alten Blogpost über Schadstoffe in Outdoorbekleidung
(Lesenswert, wenn auch nicht ganz auf dem Stand der Dinge!)

Green Kayak – Wie Müll sammeln richtig Spaß machen kann

von , 29. August 2023

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In Berlin kann man ja an einem netten sonnigen Tag so einiges schönes machen. Wenn die Sonne mal wieder ordentlich knallt, denkt wahrscheinlich kaum jemand daran Zigarettenstummeln, alte Plastiktüten und Styropor-Reste einsammeln zu gehen. Da denkt sowieso kaum jemand dran – Wetter hin oder her. Aber eine coole Initiative macht es bei uns in Berlin (und in ein paar anderen Städten) einem jetzt tatsächlich sehr schmackhaft genau das zu tun. Eine Organisation namens GreenKayak bietet kostenlos Boote an, die ihr euch einfach bei teilnehmenden Kanu-Verleihern ausleihen könnt. Im Gegenzug sollt ihr auf eurer Tour übers Wasser allen Müll einsammelt, den ihr finden könnt! Wir haben’s für euch ausprobiert und es war fantastisch!

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Tatsächlich war der Teil der Spree auf dem wir gepaddelt sind – zu unserer Verblüffung – relativ sauber! Da hat der Kanuverleih wohl schon seine Spuren hinterlassen, bzw. die Spuren beseitigt, die andere hier hinterlassen hatten. Nichts desto trotz haben wir am Ende unserer knapp 2-stündigen Tour über 3 Kg Müll eingesammelt!

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Einfach über den Fluss gleiten haben wir uns dabei natürlich nicht, denn den Müll findet man vor allem am Ufer oder Stellen, an denen das Wasser stillsteht – kleine Buchten, an Wurzeln und Geäst im Wasser und in unserem Fall auch zwischen Seerosen-Blättern. Mit den mitgegebenen, praktischen Greifarmen musst du den Müll auch nicht mit der Hand aufsammeln, sondern kannst mit etwas Geschick ganz bequem vom Boot aus picken. Das Paddel hat uns hier auch gute Dienste erwiesen.

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GreenKayak ist eine non-profit Organisation aus Dänemark, die es sich zur Aufgabe gemacht hat die weltweite Meeresverschmutzung zu bekämpfen. Ein wichtiges Thema – und die Organisation macht es uns und dir wirklich leicht mitzumachen. Ein Zeit-Slot ist schnell gebucht – via App oder im Browser – und vor Ort muss man quasi nur noch die Schwimmweste anziehen und einsteigen. Mithilfe von vielen Freiwilligen und eifrigen Paddlern hat GreenKayak schon über 90.000 Kg Müll aus dem Wasser befördert. Das ist schon was Wert! Unter dem Hashtag #paddleforcleaneroceans kannst Du dir einen Eindruck verschaffen und auch selber deine Tour-Bilder teilen.

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Eins kann ich versichern: ich hatte noch nie so viel Spaß beim Müll sammeln! Für den Sommer ist so eine Tour schon wirklich was Feines. Schau dir das Ganze also gerne mal an. Du brauchst weder Kanu-Erfahrung, noch ein großes Social-Media-Following (das Teilen der Tour ist auf der Website aber als Bedingung beschrieben). Noch ein Tipp: Bring ein paar Handschuhe mit, falls du Müll eklig finden solltest!

Lass uns in den Kommentaren wissen wie deine Tour war und was für verrückte Funde ihr im Wasser gemacht habt – oder falls du noch keine Tour gemacht hast, was du von der Sache hältst!

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